8. Mai Stade


Menschen gedenken Menschen

Blumen für die Opfer des Nationalsozialismus



Ansprache Heiko Kania, Harsefeld, Oberer Friedhof 08.05.2020


Sehr geehrte Anwesende,


danke, dass Sie heute zu diesem besonderen Tag zum individuellen Gedenken hier


auf dem Harsefelder Oberen Friedhof erschienen sind. Unter den Zeichen des


Corona-Virus bitte ich Sie um die bekannten Verhaltensweisen!


Bevor wir unsere Blumen den Toten auf die Gräber legen, möchte ich einige Gedanken zum heutigen Gedenktag äußern und Informationen zu den hier begrabenen Toten geben. Vor 35 Jahren hat unser damaliger Bundespräsident von Weizsäcker am 8. Mai 1985 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges folgende im In- und Ausland sehr positiv aufgenommene Gedanken geäußert:„Viele Völker gedenken heute des Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine eigenen Gefühle. Sieg oder Niederlage, Befreiung von Unrecht und Fremdherrschaft oder Übergang zu neuer Abhängigkeit, Teilung, neue Bündnisse, gewaltige Machtverschiebungen - der 8. Mai 1945 ist ein Datum von entscheidender historischer Bedeutung in Europa.“ 1985 galt: „Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern“. Ich war damals und bin auch heute weiter der Auffassung: er war und ist ein Tag zum Feiern. Wir sind heute hier, um denjenigen Menschen zu gedenken, die während der NS-Zeit hier ums Leben kamen und deren Gräber sich bei uns in Harsefeld als einzigem Ort der Samtgemeinde befinden. Nach dem Krieg sind Tote von hier in ihre Heimat Frankreich und Belgien umgebettet worden. Wobei nach jetzigem Erkenntnisstand mindestens zwei Kindergräber an anderen Orten der SG eingeebnet wurden. Entgegen der gesetzlichen Regelungen.Tatsächlich gibt es knapp 40 namentlich bekannte NS-Opfer innerhalb der heutigen Samtgemeinde. Weizsäcker weiter in seiner Rede vor 35 Jahren: „Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen. Wir haben wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu beteiligen. Aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg. Der 8. Mai ist ein Tag der Erinnerung.“


Wir erinnern an: die polnische junge Familie TSCHUBA, nämlich Eugenisz, Maria als Eltern und Heinrich, der - 1943 geboren - nur ½ Jahr alt werden durfte; die Familienmitglieder starben 1944, im Mai 1945 und Maria`s Todesdatum als Euthanasieopfer ist uns unbekannt. Seit Nov. 1944 gibt es kein Lebenszeichen mehr. Eugenisz und Maria sind ab 1942 in Weißenfelde bei einem Bauern als Arbeiter; den sowjetischen Zivilarbeiter Michael KONTSCHAKOW, der sich im Aug. 1943 im Alter von 52 Jahren hier in Harsefeld vor die Bahn geworfen hat. Er arbeitet seinerzeit beim Nachbarn des Bauern in Weißenfelde. Eugenisz und Michael haben sich sicher gekannt, den polnischen Zivilarbeiter Eugenisz PABIANSKI, der im Tonwerk (heutige Buxtehuder Str.) Zwangsarbeit leisten muss. Er befindet sich im Sep. 1944 einen Monat in Polizeihaft in Stade und wird danach in AEL Farge zur verschärften Zwangsarbeit am U-Boot-Bunker Valentin deportiert. Ende April 1945 wird er von einer Soldatenstreife erschossen hier in Harsefeld. Er wurde nur 23 Jahre alt; den sowjetischen Soldaten Pawel SEMENOW, der als 36jähriger Kriegsgefangener, aus der Nähe von Leningrad stammend, kurze Zeit nach der Ankunft in seiner Quarantänezeit im Nov. 1941 im Kriegsgefangenenarbeitskommando 211 in Hollenbeck starb und 1979 nach Harsefeld umgebettet wurde; den polnischen Zivilarbeiter Andyres SZEWCZYK, der mit seinem Sohn, Schwiegertochter und Enkelin in Issendorf arbeiten musste und Anfang Mai 1945 im Alter von 71 Jahren starb. Er wurde ebenfalls 1979 nach hier umgebettet; und an die deutschen Flüchtlinge Ignatz BARLASCH geb. 20.02.1873 Heisternest / Halbinsel Hela, + 05.05.1945 Harsefeld und Valtentin BUDDA geb. 27.03.1868 Heisternest / Halbinsel Hela, +30.04.1945 Harsefeld.


Sie sind beide miteinander verwandt, gehen Ende Januar 1945 auf die Flucht aus ihrer Heimat und erreichen Harsefeld am 18. Apr. 1945. Ihre hier auf den Gräbern vermerkte polnische Staatsangehörigkeit ist nach meinen Erkenntnissen unzutreffend.


Ich bitte Sie nun, Ihre Blumen auf die Gräber zu legen.


Herzlichen Dank für Ihre Teilnahme, bleiben Sie gesund und kommen Sie gut nach Hause!

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